Honduras

"Wir brauchen Schulen, in denen unsere Rechte respektiert werden!"

Über die Integration des Kinderrechtsansatzes in ein laufendes GIZ-Vorhaben in Honduras

 
„KINDERRECHTE RESPEKTIEREN UND UMSETZEN!“ schrieben die Kinder in groβer Schrift auf ein Plakat im Rahmen einer partizipativen Befragung des GIZ Bildungsprogramms Unterstützung der Dezentralisierungsprozesse im Bildungssektor in Honduras (APRODE). Sie erinnern uns daran, dass Leave no one behind auch bedeutet, Kinder und ihre Rechte ganz oben auf unsere Tagesordnung zu setzen und als GIZ zur Umsetzung der Kinderrechte weltweit beizutragen.

Was bedeutet der Kinderrechtsansatz für ein GIZ-Vorhaben?

Der Kinderrechtsansatz stützt sich auf die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention (1989) (KRK) und die darin definierten Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte. Kinder werden nicht nur als hilfs- und schutzbedürftige Zielgruppe eines Programms verstanden, sondern als eigenständige Persönlichkeiten und Träger von Rechten. Sie werden ermutigt, ihre Interessen zu vertreten und ihre Rechte einzufordern, denn als Protagonisten ihres eigenen Lebens kennen sie selbst am besten ihre Bedürfnisse und Wünsche. Der Kinderrechtsansatz befähigt Kinder, ihre eigene Situation zu analysieren, Probleme zu priorisieren und Lösungen vorzuschlagen. Deshalb sollten Kinder aktiv auf allen Stufen eines Programms eingebunden werden, d.h. im Idealfall bei Planung, Durchführung, Monitoring und Evaluierung.

Wie sieht dies in der Praxis aus?

Genau diese Frage stellte sich auch das Bildungsprogramm APRODE der GIZ Honduras zu Beginn seiner Laufzeit. Das Vorhaben arbeitet mit dem honduranischen Bildungsministerium und ausgewählten NROs dafür, dass Bildungsmanagement und -verwaltung auf zentraler und dezentraler Ebene ihre Leistungen für Grundbildung und Vorschule in guter Qualität und transparenter Art und Weise erbringen. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter. Mit der Unterzeichnung der KRK haben sich Deutschland – und somit auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – dazu verpflichtet, “bei allen Maβnahmen, die Kinder betreffen, [...] das Wohl des Kindes [...] vorrangig zu berücksichtigen“, wie es das Leitprinzip der KRK im Artikel 3 festlegt.

Nachträgliche Integration des Kinderechtsansatzes

Da bei der Programmplanung von APRODE kein Kinderrechtsansatz Berücksichtigung fand, wurde im Nachhinein eine Analyse erstellt, die den Bezug zu den einzelnen Handlungsfeldern zu Kinderrechten herstellte. Dies bedeutete nicht, dass die bisherige Arbeitsweise des Vorhabens völlig geändert werden musste – zumal dies im vorgegebenen Rahmen nicht möglich gewesen wäre. Es war jedoch ein wichtiger Schritt, das Programmteam zu sensibilisieren, Denkweisen zu ändern und die Verbindung der verschiedenen Arbeitsfelder zu den Kinderrechten aufzuzeigen: 

  • Transparenz und Rechenschaftslegung als Antwort auf das Recht auf kindgerechte Information;
  • Dezentralisierung, Kontrollmechanismen und Korruptionsbekämpfung fördern, um das Kinderrecht auf Bildung zu ermöglichen;
  • effektive Beschwerdemechanismen so zu gestalten, dass Eltern und Kinder einen Missbrauch ihrer Rechte im Schulumfeld anonym melden können;
  • bei der Stärkung der Zivilgesellschaft und schulischer Beteiligungsstrukturen das Recht der Kinder auf Meinungsfreiheit und Partizipation fördern;
  • Schulen und Schulnetzwerke als Ort zu sehen, wo Kinderrechte vermittelt, gelebt und erfahren werden.

Im Anschluss an die Analyse definierte APRODE konkrete Aktivitäten. Die gute Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium wurde genutzt, um das Thema Kinderrechte auf ministerieller Ebene auf den Tisch zu bringen, Schlüsselpersonen zu sensibilisieren und den Arbeitsansatz relevanter Abteilungen zu beleuchten. Fachkräfte des Ministeriums sowie Vertreter der Zivilgesellschaft wurden in sechs Workshops zum Kinderrechtsansatz und seiner praktischen Umsetzung fortgebildet und weiterhin diesbezüglich beraten. Wichtige Allianzen mit UNICEF, UNFPA, der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi und dem honduranischen Kinderrechtsnetzwerk COIPRODEN sowie anderen GIZ-Programmen (z. B. PREVENIR, ComVoMujer) wurden geschlossen.

Schülermitverwaltungen als demokratisches Mitbestimmungsorgan im Fokus

Als Schwerpunktthema des Kinderrechtsansatzes von APRODE wurde die Stärkung der Schülermitverwaltungen als demokratisches Organ der Schülermitbestimmung identifiziert. Diese sind in Honduras zwar gesetzlich verankert und werden in einem offiziellen Prozess jährlich gewählt, erfüllen bisher jedoch nur eine symbolische Funktion.

APRODE unterstützt das Bildungsministerium darin, eine national gültige Verordnung zu Schülermitverwaltungen zu erarbeiten, die die Kinderrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und Partizipation berücksichtigt. Diese wird aber nicht aus adultistischer Perspektive weit weg von der schulischen Realität verfasst. Im Gegenteil: in einem Erarbeitungsprozess, in dem die Kinder nach den Prinzipien der partizipativen Forschung leitende Funktion übernehmen, werden bis zu 400 Kinder und Jugendliche von 4 bis 22 Jahren aus neun repräsentativen Bezirken Honduras eingebunden und definieren, wie sie sich die Schülermitbestimmung im Rahmen der Schülermitverwaltungen vorstellen.

 

Forderungen an die Schule unserer Träume

In dreitägigen Workshops lernten die Kinder anhand kreativer Methoden ihre Rechte kennen und reflektierten kritisch, inwiefern ihr Recht auf Beteiligung in der Schule respektiert wird. Ein besonderer Höhepunkt war, als sie als Kinderreporter, ausgerüstet mit Notizblock und Handykameras, weitere Schüler zur „Schule ihrer Träume“ und der idealen Schülervertretung interviewten. Die Antworten wurden im Anschluss von den Kindern selbst analysiert, zusammengefasst und priorisiert. Am Ende des Workshops wählten sie somit die „Forderungen an die Schule unserer Träume“.

Sechs der insgesamt 60 Forderungen aus vier verschiedenen Regionen

"Wir brauchen Schulbusse für die Kinder, die weit weg leben, damit sie ihre Schule erfolgreich beenden können.“
 

„Wir sind gegen Diskriminierung und wollen, dass Mädchen und Jungs in der Schule gleichermaßen Verantwortung übernehmen, weil wir gleichberechtigt sind.“

“Wir wollen eine Schülermitverwaltung, die verständnisvoll und verantwortungsbewusst ist, funktioniert und unsere Rechte respektiert, damit unsere Stimme erhört wird.“

„Wir wollen eine schöne, bunte und sichere Schule mit genug Platz, Wasser, Strom und hygienischen Toiletten.“

„Wir sind gegen sexuellen Missbrauch in der Schule, denn die Erwachsenen nutzen junge Mädchen aus und wenn sie schwanger sind, werden ihre Träume zerstört und alles, was sie noch vorhatten.“
 

„Keine Gewalt und Mobbing, sondern ein glückliches Leben!“

 
Die Ergebnisse der Befragungen und Interviews wurde nicht nur in einer Kinder-Videoreportage festgehalten und im Fernsehen ausgestrahlt, sondern fließen ebenfalls in die nationale Verordnung zur Schülermitverwaltung ein. Von den Kindern gewählte Vertreter aus den verschiedenen Regionen erarbeiteten bis Mai 2017 einen nationalen Verordnungsentwurf und stellten diesen anschließend den Bezirksschuldirektoren, Vize-Ministerinnen und sogar der Bildungsministerin vor. Mit Erfolg: Sie erhielten die Zusage des Bildungsministers zur landesweiten Implementierung der Verordnung.

Fazit

Dieses Projekt zeigt, dass der Kinderrechtsansatz nicht nur theoretisch sondern auch in der Praxis Anwendung finden kann und muss. Vor allem in Projekten mit Kindern und Jugendlichen als Zielgruppe bedarf es einer aktiven Einbindung dieser in die politischen Prozesse. Nicht nur der Erfolg eines einzelnen Projekts, sondern auch der Agenda 2030 hängt von der Partizipation aller Zielgruppen ab. Das Recht auf Partizipation und die klaren Willensäußerungen von Kindern dürfen nicht belächelt und vernachlässigt werden. Ganz im Gegenteil müssen sie mit Zuspruch, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit in Angriff genommen werden. Ganz so strahlen es die honduranischen Kinder aus, als sie ihre Forderungen an die „Schule unserer Träume“ in den Händen halten.

„Wir brauchen Schulen, in denen unsere Rechte respektiert werden und Lehrer, die uns gut behandeln und unsere Meinung ernst nehmen, weil sie ein wertvoller Schatz und wichtig ist.“

 

Kontakt:

Felicitas Eser

felicitas.eser(at)giz.de

Tel.: 00504-94506138

Unterstützung der Dezentralisierungsprozesse im Bildungssektor Honduras (APRODE)

http://www.giz.de/de/weltweit/13828.html

Video: Wenn Kinder Regie führen - Kinderreportage "Die Schule unserer Träume"

Ausgerüstet mit Handykameras zogen Schüler und Schülerinnen in Honduras durch viele Teile des Landes, um bis zu 200 Kinder und Jugendliche zu interviewen, wie sie sich die Schule ihrer Träume vorstellen. (in Spanisch).

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