Die 2030 Agenda – eine Zwischenbilanz

Mitte Juli fand die dritte Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung statt und im August haben sich die VN-Mitgliedsstaaten auf die „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung“ geeinigt, bevor sie Ende September auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen offiziell verabschiedet wird. Wo stehen wir jetzt? Was hat sich bewegt? Und was bedeutet dies für die Kinder- und Jugendrechte?

Eine Bilanz der Bundesregierung

 „Die Millenniumsziele haben gezeigt, dass es möglich ist, die Lebenssituation von Millionen von Menschen in fast allen Entwicklungsländern der Erde konkret zu verbessern. So ist es in den vergangenen 15 Jahren gelungen, die Armut weltweit zu halbieren und den Zugang zu Trinkwasser und Bildung zu verbessern. Die Sterblichkeit sowohl von Kindern als auch von Müttern konnte jeweils um ungefähr die Hälfte reduziert werden.“ So der Artikel der Bundesregierung „Entwicklungserfolg ist machbar“ vom 13.08.2015, der Anhand der acht MDGs im Einzelnen aufzeigt, was bereits zum Teil Beachtliches erreicht wurde und welche Herausforderungen im Rahmen der SDGs und Klimakonferenz in Paris angegangen werden müssen.

Die Bilanz zur dritten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung…

…fällt hingegen für viele Beobachter kritischer aus. Zwar wird allgemein begrüßt, dass Schwellen- und Entwicklungsländer verstärkt funktionierende Steuersysteme aufbauen und entschiedener gegen Korruption vorgehen sollen und dabei von den Geberländern durch die "Addis Tax Initiative" unterstützt werden. Doch kritisieren verschiedene NROs den verabschiedeten Aktionsplan als "schlichtweg unzureichend" (vgl. Pressespiegel: VN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung). „There was no re-commitment on developed countries’ decades-old promises on aid (with the exception of the European Union’s commitment to deliver this by 2030, 15 years after its agreed delivery date), and no recognition that building resilience against climate change will demand extra resources over and above aid budgets“, konstatierte daher auch Winnie Byanyima, Executive Director von Oxfam International in ihrem Gastbeitrag “How can we make 2015 a turning point for development?” im World Economic Forum”.

Nachhaltige Entwicklungsziele (SDGs) – zu komplex?

Nach der Einigung auf die 17 Entwicklungsziele und 169 Unterziele („targets“) richtet sich nun die internationale Diskussion stärker auf deren Umsetzung und deren Erfolgsmessung anhand von Indikatoren. Kritiker befürchten bereits, dass die SDGs an ihrer eigenen Komplexität scheitern könnten.

Die Indikatoren werden derzeit von der zuständigen VN-Expertengruppe für die Indikatoren der SDGs (IAEG-SDGs) erarbeitet. Hierfür führte sie auch vom 11.August bis 07.September einen Online-Konsultationsprozesse durch. Sie soll bis März 2016 einen Indikatorenkatalog der VN vorlegen.

UNICEF hat bereits gemeinsam mit anderen Partnern umfassende Vorschläge für „Priority Indicators for Children“ für 16 der 17 SDGs eingereicht.

Copenhagen Consensus Center: Empfehlungen der Wirtschaftswissenschaftler

Einen ungewöhnlichen wie spannenden Ansatz zur Umsetzung der SDGs haben kürzlich Wirtschaftswissenschaftler des Copenhagen Consensus Center, u.a. Finn Kydland, Bjorn Lomborg, Tom Schelling und Nancy Stokey, vorgestellt. Sie haben auf die Analysen von 82 Topökonomen und 44 Experten für spezielle Bereiche der Entwicklungshilfe zurückgegriffen und versucht herauszufiltern, in welchen Bereichen Investitionen die größten Wirkungen im Sinne eines Kapitalertrages erbringen. Im Artikel „19 Projekte für eine bessere Welt“ in der FAZ sowie auf der Website www.copenhagenconsensus.com/... Stellen sie ihre Auswahl vor. „Wenn die UN sich auf diese Ziele konzentrieren würden, könnte man je ausgegebenen Dollar etwa 20 bis 40 Dollar Nutzen erzielen. Für den Durchschnitt der vorgeschlagenen 169 Ziele jedoch kämen nur weniger als 10 Dollar heraus.“ Interessanterweise sind es nicht in erster Linie wirtschaftsliberale Rezepte. Der Abbau von Handelshemmnissen ist nur eines von 19 Zielen. „Ein exzellentes Entwicklungsziel ist der Kampf gegen die Unterernährung von Kindern. Natürlich verdienen Menschen aller Altersgruppen eine ausreichende Ernährung. Doch gerade für Kinder ist sie besonders wichtig und kritisch. Gute Ernährung lässt die Gehirne und Muskeln der Kinder sich besser entwickeln und bringt ihnen lebenslange Vorteile. Studien zeigen: Gutgenährte Kinder bleiben länger in der Schule, sie lernen länger und sind als Erwachsene produktivere Mitglieder der Gesellschaft. Nach einer Modellrechnung könnte eine bessere Versorgung für fast hundert Millionen unterernährte Kinder über ihren Lebenszyklus je ausgegebenem Dollar rund 45 Dollar Ertrag – zusätzliches Einkommen und Einsparungen von anderen Kosten – bringen.“ Daher finden sich unter ihren 19 Zielen 13 Ziele, die Kinder- und Jugendrechte direkt oder indirekt betreffen.

 

Dies sind:

  • Zahl der chronisch unterernährten Kinder um 40 Prozent senken
  • Malariainfektionen halbieren
  • Zahl der Tuberkulosetoten um 90 Prozent verringern
  • 1,1 Millionen HIV-Infektionen durch Beschneidung vermeiden
  • frühe Todesfälle durch chronische Krankheiten um ein Drittel reduzieren
  • Säuglingssterblichkeit um 70 Prozent verringernmehr Schutzimpfungen zur Senkung der Kindersterblichkeit
  • Familienplanung ermöglichen
  • Gewalt gegen Frauen und Kinder bekämpfen
  • Luftverschmutzung durch Rauch in Häusern um 20 Prozent verringern
  • Ausbildung von Mädchen um 2 Jahre verlängern
  • allgemeinen Grundschulbesuch in Subsahara-Afrika erreichen
  • Vorschulbesuch in Subsahara-Afrika verdreifachen

 

Orchestrierung?!

Hier bietet sich auch ein weites Feld für den Privatsektor, Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Während sich staatliche Stellen bei finanziellen Verpflichtungen weiterhin zurückhaltend zeigen und multilaterale Prozesse nur langsam voran schreiten, wird allein das weltweite Stiftungskapital auf ca. 1 Billionen Dollar geschätzt.

„Es gibt bereits eine dynamische Landschaft aus globalen Netzwerken. In diesen Netzwerken übernehmen Akteure aus Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Fachministerien, Behörden, Städten und Kommunen eine globale Rolle. Erfolgreiche Beispiele wie die C40 Cities, die Extractive Industries Transparency Initiative und die Impfallianz Gavi zeigen, dass solche Netzwerke wichtige Beiträge für globale nachhaltige Entwicklung leisten können“, so Dr. Stefan Klingebiel und Sebatian Paulo vom DIE. Diese Netzwerke entstehen jedoch nicht immer von alleine und bedürfen einer guten Koordination. Die Politikwissenschaftler sehen daher in der Orchestrierung ein Instrument für die Umsetzung der SDGs .

Möglicherweise wird die EZ in Zukunft mehr als bisher gemeinsam mit anderen Akteuren größere, umfassendere Koordinierungsaufgaben wahrnehmen – über Fach-, Organisations- und Ländergrenzen hinweg.

 

 

Autor: Burkhard Vielhaber | info(at)kinder-und-jungendrechte.de | erstellt Anfang September 2015

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