Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen werden in diesem Jahr internationale Gipfel anlässlich der weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen einberufen, sowohl im Rahmen der UN-Generalversammlung (am 19. September) als auch von der US-Regierung (am 20. September). Dies zeigt die Dringlichkeit des Handelns angesichts einer dramatisch gewachsenen Zahl von geflüchteten und migrierten Erwachsenen und Kindern. Eines von 45 Kindern weltweit befindet sich heute außerhalb seiner Heimat – das bedeutet fast 50 Millionen Kinder, und dies ist nur eine vorsichtige Schätzung. Dass alle teilnehmenden Regierungen diese Dringlichkeit anerkennen, ist ein historischer Moment.
Beide Gipfel zielen darauf ab, neue und nachhaltige Lösungen für den Umgang mit den Ursachen und Folgen der Krisen zu finden, die dazu führen, dass so viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen. UNICEF sorgt gemeinsam mit seinen politischen Partnern dafür, dass die Anliegen der Kinder bei beiden Gipfeln zentral berücksichtigt werden. Denn die Krisen, um die es bei den politischen Beratungen geht, treffen Kinder am härtesten. Kinder sind nicht verantwortlich für Bomben und Geschosse, Bandenkriminalität, Verfolgung, schlechte Erntejahre oder geringe Löhne. Dennoch sind sie stets die ersten, die von den Auswirkungen von Krieg, Konflikten, Klimawandel und Armut betroffen sind.
Diese Kinder werden nach ihrem rechtlichen Status in einem Land in verschiedene Gruppen unterteilt, der ihnen aufgrund der Form der jeweiligen Migration – „geflüchtet“, „vertrieben“ oder „migriert“ - zugeschrieben wird. Doch in erster Linie sind es Kinder, unabhängig davon, woher sie kommen oder wo sie sich befinden.
Nur wenn die Staatengemeinschaft gemeinsam die Verantwortung dafür übernimmt, Kindern eine Chance auf ihre Kindheit zu geben, können globale Ziele – von den Ergebnissen der Weltgipfel bis hin zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen bis 2030 – erreicht werden. Die Entscheidungen und Zielformulierungen der beiden Gipfel müssen deshalb in die Praxis umgesetzt und Kinderrechte international und national in das Zentrum des politischen Handelns gestellt werden.
Im Vorfeld der Weltgipfel veröffentlicht UNICEF am 7. September 2016 einen globalen Report „Entwurzelt“ („Uprooted“) in dem erstmals alle aktuell verfügbaren Daten über geflüchtete oder migrierte Kinder zusammengetragen wurden. Auf der Basis dieser Daten und Erkenntnisse, sind wir uns sicher: Es kann nur gelingen, allen Kindern eine Chance auf ihre Kindheit zu geben, wenn alle teilnehmenden Staaten am 19. und 20. September der Not von geflüchteten und migrierten Kindern besondere Aufmerksamkeit schenken und die folgenden sechs Ziele und praktischen Vorschläge unterstützen und berücksichtigen:
Gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderschutzsysteme müssen ergriffen werden. Dazu gehören die Aus- und Weiterbildung von Sozialarbeitern und Mitarbeitern im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes sowie die Zusammenarbeit mit allen relevanten Berufsgruppen und Nichtregierungsorganisationen.
Gegen Menschenhandel muss entschieden vorgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist nicht nur eine bessere Umsetzung des bestehenden Rechts notwendig, sondern auch eine systematische Unterstützung für Flüchtlingskinder durch den Einsatz qualifizierter rechtlicher Vertreter. Der Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu Informationen bezüglich ihrer eigenen Situation und des Prozesses zur Bestimmung ihres Aufenthaltsstatus muss für Kinder stets gewährleistet sein.
Für die Festlegung des Aufenthaltstitels sollten die Regierungen klare Richtlinien für verantwortliche Entscheider entwickeln, die Kinder und Jugendliche davor bewahren, in Länder zurückgeführt zu werden, in denen ihnen Verfolgung oder Lebensgefahr drohen. Das Wohl des Kindes sollte bei allen rechtlichen Entscheidungen im jeweiligen Einzelfall vorrangig berücksichtigt werden.
Es müssen praktische Alternativen zu Haft entwickelt werden, wenn Kinder (oder ihre Familien) involviert sind – denn eine Inhaftierung von Kindern hat schwerwiegende negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Daher müssen stets Alternativen zur Haft angewendet werden, wie beispielsweise das Einbehalten des Passes, das Verhängen von Meldeauflagen, das Verbürgen von Familienmitgliedern oder eines rechtlichen Vertreters, die Unterbringung von unbegleiteten und von ihren Eltern getrennten Kindern bei Pflegefamilien oder in betreuten Wohneinrichtungen sowie die verpflichtende behördliche Registrierung.
Ein eindeutiger gesetzlicher Rahmen ist notwendig, um Kinder davor zu bewahren, bei Grenzkontrollen oder während des Verfahrens zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von ihren Eltern getrennt zu werden. Neben der Beschleunigung der behördlichen Verfahren muss die Zusammenführung von Kindern mit ihren Familien in den Zielländern vereinfacht werden. Dabei müssen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um Kinder und ihre Familien zusammenzuführen.
Darüber hinaus ist die unverzügliche Registrierung von Kindern, die in Transit- oder Zielländern geboren werden, unerlässlich für deren weiteres Wohlergehen. Die Staaten sollen jedem dieser Kinder eine Geburtsurkunde ausstellen bzw. es registrieren. Dies verhindert die Staatenlosigkeit und ist u.a. eine Grundvoraussetzung für den Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem.
Politik, Behörden und Gemeinden müssen gemeinsam mit Vertretern des Privatsektors mehr tun, um Kindern ihr Recht auf Bildung, umfassende Gesundheits- und Hygieneversorgung, Unterkunft, ausreichende Versorgung mit Nahrung und Wasser sowie uneingeschränkten Zugang zu rechtlicher und psychosozialer Unterstützung zu gewährleisten. Dies ist nicht nur eine kollektive Verantwortung, sondern liegt auch im eigenen Interesse jeder Gesellschaft. Der Aufenthaltsstatus und -ort eines Kindes darf hierbei niemals ein Hindernis sein.
Die Ursachen für Konflikte, Gewalt und extremer Armut in den Herkunftsländern müssen bekämpft werden. Hierzu gehört beispielsweise ein erleichterter Zugang zu Bildung, eine bessere sozialer Absicherung, mehr Verdienstmöglichkeiten, Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit, Bekämpfung von Bandenkriminalität, verantwortungsvolle und transparente Regierungsführung. Die Regierungen müssen den Dialog mit der Gesellschaft und Engagement für friedliche Konfliktlösungen, Toleranz und Integration aktiv fördern.
Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden, Kirchen, der Privatwirtschaft und politischen Entscheidungsträgern müssen ein breites Bündnis bilden, das Verantwortung übernimmt, um Hass und Ablehnung gegenüber Flüchtlingen vorzubeugen.
Das bereits im Entwurf vorliegende Abschlussdokument des Gipfels im Rahmen der UN – Generalversammlung zeigt die große Bereitschaft der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von migrierten und geflüchteten Menschen einzutreten. Die hierin festgehalten Ziele, die dafür sorgen sollen, dass alle Kinder weltweit - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – eine Chance auf eine Kindheit haben, müssen der Startpunkt eines gemeinsamen Handelns sein. Weitere Informationen zu den Inhalten und Themen des UN – Gipfels finden Sie hier: http://refugeesmigrants.un.org/summit
UNICEF unterstützt sowohl in Zielländern wie beispielsweise Deutschland als auch im Rahmen von humanitärer - oder Entwicklungszusammenarbeit in Herkunfts-, Transit- und Zielländern den Schutz von geflüchteten, vertriebenen und migrierten Kindern.
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Kontakt: Dr. Sebastian Sedlmayr (Abteilungsleiter Kinderrechte und Bildung) | sebastian.sedlmayr(at)unicef.de | Tel. +49 221-93650-282
Kontakt: Susanne Hassel (Politik/ Kinderrechte) |
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Die Inhalte dieses Artikels geben die Meinung der Autoren und nicht notwendigerweise die der GIZ oder des BMZ wieder.
Erstellt im September 2016