Das Recht auf einen Namen und eine Nationalität

Einführung

35 Prozent aller Kinder weltweit sind für den Staat, in dem sie leben, nicht sichtbar. Ihnen fehlt die staatliche Anerkennung ihrer Existenz: Für sie gibt es keinen Eintrag ihrer Geburt. Das in der Konvention über die Rechte des Kindes (VN-Kinderrechtskonvention) verbriefte Recht auf Eintragung einer Geburt in einem Register wird damit millionenfach verletzt.

Kinder ohne Geburtsurkunde und Identitätsdokumente sind in der Folge in erhöhtem Maße schutzlos gegenüber Rechtsverletzungen. Sie sind insbesondere häufiger Diskriminierung ausgeliefert und von der Durchsetzung von Rechtsansprüchen oft ausgeschlossen. Auch unter denjenigen Kindern, die nach ihrer Geburt registriert werden, besitzt laut aktuellen Berichten von UNICEF dennoch eines von sieben Kindern keine Geburtsturkunde.

Die Mehrheit (59 Prozent) der weltweit nicht registrierten Kinder lebt in Asien, weitere 37 Prozent in Subsahara-Afrika. In Sambia, im Tschad, in Tansania, im Jemen und in Bangladesch werden beispielsweise bis zu 86 Prozent aller Kinder nicht offiziell erfasst. In Liberia, Somalia und Äthiopien sogar bis zu 97 Prozent. Im Vergleich dazu liegt die Rate der fehlenden Geburtenregistrierungen in Industrieländern durchschnittlich bei unter 10 Prozent.

Besonders verletzliche Gruppen wie Waisenkinder, Kinder mit Behinderung, Kinder in ländlichen und/ oder armen Regionen, Kinder von Minderheiten stellen oftmals die größte nicht-registrierte Bevölkerungsgruppe in Entwicklungsländern dar.

In Indien sind 80 bis 90 Prozent aller Kinder mit Behinderung nicht registriert und haben dadurch keinen Zugang zu Sozial- oder Pflegeleistungen. Nur 4 Prozent der ärmsten Bevölkerung in Tansania wird bei der Geburt registriert, im Vergleich zu 56 Prozent der reichsten Bevölkerung.

 

Internationale Vereinbarungen

Sowohl in der VN-Kinderrechtskonvention als auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (Zivilpakt) sind wesentliche Grundlagen für die Registrierung von jungen Menschen festgeschrieben. Während die VN-Kinderrechtskonvention die völkerrechtliche Grundlage für die Rechte der Kinder und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bildet, finden die übrigen internationalen Menschenrechtskonventionen Anwendung auf die über 18-Jährigen.

  • Die VN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten in den Artikeln 7 und 8, jedes Kind unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen, verbunden mit dem Recht auf einen Namen und den Erwerb einer Staatsangehörigkeit.
  • Das Recht auf Registrierung wurde auch in Artikel 3 des Fakultativprotokolls der VN-Kinderrechtskonvention betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und in Artikel 8 des Fakultativprotokolls betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie aufgenommen
  • Der Zivilpakt fordert in Artikel 24, die unverzügliche namentliche Registrierung nach der Geburt und in Artikel 24, das Recht auf Staatsangehörigkeit.
  • Der VN-Kinderrechtsausschuss, Vertragsorgan der VN-Kinderrechtskonvention, bekräftigt in der Allgemeinen Bemerkung NI'. 3 die besondere Notwendigkeit von Geburtenregistrierung und das Recht auf Identität für besonders vulnerable Kinder. Der Ausschuss betont insbesondere die Notwendigkeit einer kostenlosen Registrierung sowie die Bedeutung mobiler Registrierungssysteme. Eine ebenso wichtige Aufforderung betrifft die Vereinfachung von Registrierungen zu einem späteren Zeitpunkt im Leben eines Kindes. Ein weiterer Hinweis gilt der Achtung von Rechten nicht-registrierter Kinder.
  • In der African Charter on the Rights and Welfare of the Child ist in Artikel 6 das Recht auf Registrierung enthalten.
  • Im März 2012 hat die VN-Menschenrechtskommission zum ersten Mal eine Resolution vollständig dem Thema Geburtenregistrierung und Recht auf Identität gewidmet und hierdurch auf die Verpflichtung der Staaten, die Registrierung ohne Diskriminierung für alle zugänglich zu machen, aufmerksam gemacht.
  • Der aus dem Weltkindergipfel 2002 hervorgegangene Aktionsplan 'Eine kindgerechte Welt' definiert in Artikel 44 (1) das Ziel, Systeme zu entwickeln, die sicherstellen, dass jedes Kind kurz nach der Geburt in ein Register eingetragen wird. Das Recht soll im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und den einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten umgesetzt werden.

Staatsangehörigkeit wird entweder nach dem Geburtsortprinzip (Ius Soli); dem Abstammungsprinzip (Ius Sanguinis) oder einer Kombination aus beidem verliehen. Hierbei ist der Staat verpflichtet, eine nichtdiskriminierende nationale Gesetzgebung für alle Kinder sicherzustellen. Die Geburtsurkunde, die in der Regel Name, Nationalität und die Namen der Eltern enthält, ist ein wichtiges Dokument zum Nachweis der Identität und insbesondere des Alters.

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Weiter: Bedeutung

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Quelle:

Kinder- und Jugendrechte konkret
Informationen zu den Rechten junger Menschen in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit
S. 10ff.

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